Wie wird die Rückkehr auf die Sportplätze und in unserem Fall vor allem in die Sporthallen verlaufen? Wir hatte schon vor der Pause mit stark rückläufigen Teilnehmerzahlen in Nachwuchsbewerben zu kämpfen. Muss der Tischtennissport um seine Zukunft bangen? Ja, wenn er nicht aufpasst. Nein, wenn er die Pause als Chance sieht.
Sportpsychologen vergleichen die Coronapause gerne mit einer Verletzung (siehe Link am Ende des Textes). Man ist zunächst am Boden, verzweifelt und hat große Schmerzen. Doch schon nach wenigen Tagen kommt ein Punkt, an dem der Sportler nur noch eines im Sinn hat: So schnell wie möglich wieder zurück zu „seinem“ Sport zu kommen. Wir haben sie alle miterlebt, von Hermann Maier über Aksel Lund Svindal, Niki Lauda oder Thomas Muster.
Ja, aber das sind Ausnahmeerscheinungen, außergewöhnliche Menschen, wie kann man so etwas mit einer Rückkehr nach dem Niederfahren des gesamten Lebens vergleichen? Absolut richtiger Einwand, denn viel zu oft sagt sich der einfache Freizeitsportler „Das ist Wahnsinn, das könnte ich nie!“ Und es ist die große Frage, warum das so ist. Okay, wenn man einen normalen Beruf hat, hat man nicht den ganzen Tag Zeit, an seinem Körper zu arbeiten. Und vielleicht sind durch die Coronapause auch ein paar Kilo Zusatzgewicht am Körper entstanden. Umso mehr sollte es also unser aller Aufgabe sein, das wieder zu ändern.
Auch ich persönlich durfte schöne Comebacks hinlegen. Im Jahr 2000 habe ich nach einem Schienbeinbruch nur wenige Monate nach der Operation mit einem 30 Zentimeter langen Marknagel im Bein in Schweden beim Broloppet (mit 91.000 Teilnehmern!) einen ziemlich guten Halbmarathon absolviert. Und vor zwei Jahren habe ich nur 99 Tage, nachdem mir ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt worden war, mein Meisterschaftscomeback gegeben. Ich weiß also gewissermaßen, natürlich auf Hobbysportniveau, was es heißt, nach so einer Pause zurückzukommen.
Wir als Vereine haben jetzt die Aufgabe, unseren Mitgliedern dieses Sportcomeback schmackhaft zu machen. Die meisten Spieler werden, wie oben beschrieben, ohnehin ausgehungert danach sein, sich wieder zu betätigen und auch zu messen. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Einzel-Comebacks ist es aber die Chance, gemeinsam als Gruppe, als Verein, als Sportart zurückzukehren!
Ich freue mich schon sehr darauf, in der Halle wieder die Schreie der Bestürzung zu hören, wenn man einen scheinbar kinderleichten Abschlag verhaut hat! Und ich freue mich auf die ebenfalls kinderartige Freude, wenn man einen scheinbar unmöglichen Ball noch zum Punktgewinn verwandeln konnte! Dieses befreiende „Emotionen herauslassen“ war definitiv etwas, das im Lockdown gefehlt hat. Es geht bei uns im Freizeitsport nicht um die Existenz oder das finanzielle Überleben, es geht um die pure Freude an der Sache. Und die ist nicht abhängig von Siegen oder Niederlagen in irgendeinem Spiel in der Unter- oder Gebietsliga. Wenn sich das alle bewusst machen, dann wird die Freude rasch wieder da sein und alle antreiben.
Überhaupt kann es eine Chance sein, jene Leute wieder zurück zu (unserem) Sport zu bringen, die ihn vielleicht schon verlassen hatten. Denn wann kann man als Ex-Spieler besser wieder einsteigen, als zu einem Zeitpunkt, an dem alle anderen auch monatelang pausiert hatten? Nie! Wir müssen in unserer Werbung für die Rückkehr also ganz klar auch jene mitnehmen, die wir schon vor der Coronapause verloren hatten! Es ist ja ziemlich egal, ob man sechs Monate nicht gespielt hat oder fünf Jahre. Nachdem ohnehin alle ewig nicht gespielt haben, kann die Hemmschwelle, wieder in die Halle zu kommen, für jene, die es länger nicht getan haben, sogar geringer sein. Denn niemand muss Angst haben, dass es peinlich wird. In unserem Verein gibt es solche Beispiele, aber dazu dann mehr, wenn es so weit ist. Es gibt ohnehin hunderte Beispiele von Ex-Spielern, die nach jahre- oder jahrzehntelanger Pause wieder extrem erfolgreich zurückgekehrt sind. Wir werden jedenfalls genau jetzt auf unsere ehemaligen Nachwuchsspieler zugehen und versuchen, sie mit einem „Klassentreffen“ wieder mal zusammenzubringen.
In der Nachwuchsarbeit muss sich jetzt jeder Verein hinterfragen
Damit sind wir mitten im Nachwuchsbereich. Ja, es ist schwierig. Ja, es ist kompliziert. Wir haben schon vor der Pause eine Situation vorgefunden, dass die aktuelle Nachwuchs-Generation mit jener vor 10 oder 20 Jahren leistungsmäßig nicht einmal ansatzweise mithalten kann. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Skeptiker könnten also sagen: „Und jetzt auch noch die Zwangspause. Das hat ja alles eh keinen Sinn mehr. Wir geben auf.“
Jeder Verein muss sich jetzt selbst hinterfragen, ob er alles gibt, um dem Nachwuchs eine geeignete Fläche zu bieten – und damit seiner eigenen Zukunft! Und dabei geht es nicht um den größtmöglichen Erfolg und steirische oder österreichische Meistertitel. Bei allen Nachwuchsmaßnahmen, und das ist meine volle Überzeugung, muss zuerst immer die Quantität im Vordergrund stehen. So viele junge Menschen wie möglich sollten diesen Sport betreiben. Je mehr das machen, desto größer ist der Wettbewerb. Und dann werden die Spieler sagen: „Okay, was kann ich tun, damit ich diesen Spieler erreiche oder in diese Liga komme?“ Und dann müssen die Vereine die Antwort darauf geben können. Mit dem entsprechenden Training, mit den entsprechenden Personen.
Jeder Verein hat die Chance erfolgreich zu werden. Das haben Kapfenberg, Gratwein, Indigo, Übelbach, Unzmarkt, Bruck, Leoben oder Don Bosco (kein Anspruch auf Vollständigkeit) über Jahre bewiesen, das hat SFP seit dem Jahr 2005 bewiesen und das beweisen jetzt Fürstenfeld, St. Stefan, Langenwang oder Großlobming. Und vielleicht auch wieder Voitsberg, Deutschlandsberg, Zeltweg, Liezen oder Ardning. Oder St. Ruprecht oder Straß. Es gibt überall Chancen, es gibt überall Kinder, es gibt überall Schulen oder Jugendtreffpunkte. Es werden jene Vereine Erfolge feiern und Freude verbreiten, die es selbst vorleben! Niemand kann mir erzählen, dass es in St. Stefan ob Stainz leichter ist, 15 Jugendliche zum Training zu bekommen als in Graz-Eggenberg oder in Judenburg. In St. Stefan gelingt es aber. Es liegt einfach an den Verantwortlichen. Man kann jammern und sich selbst bedauern, oder man kann etwas tun.
Auch bei uns haben schon mehr als 50 Kinder, die mehr als ein Jahr gespielt haben wieder aufgehört und man ärgert sich, dass die Arbeit umsonst war. Doch das war sie nicht. Die jungen Leute lernen durch den Sport, was es heißt zielstrebig zu sein, sie lernen zu verlieren und sie lernen, für ein Team da zu sein. Unsere Leitlinie ist also nicht das Nachtrauern, sondern wir sagen: Ich biete jenen, die aktuell da sind, die bestmöglichen Bedingungen, je nachdem, wie weit sie kommen wollen.
Wir haben mit dem Nachwuchs ja bereits wieder trainiert – vor der Halle und die Kinder waren dabei bei Wind und niedrigen Temperaturen wirklich tapfer! Und es hat sich auch gezeigt, dass alle, die vorher dabei waren, wieder gekommen sind und sogar bereits drei neue dazu gekommen sind. Es könnte also durchaus sein, dass es keinen Nachwuchsschwund gibt, sondern einen Aufschwung, weil es jetzt so lange verboten war. Und das Verbotene reizt bekanntlich immer. Viele Leute werden nach dem Hochfahren vielleicht auch wieder einmal ins Kino stürmen, obwohl sie das jahrelang nicht gemacht hatten, aber jederzeit gekonnt hätten. Doch jetzt schätzt man es viel mehr und macht es daher auch wieder!
Wir sollten es als Chance sehen, dass nicht nur der Leistungsgedanke zählt, sondern auch der Breitensport. Die entsprechenden Turnierformen werden rasch zu finden sein bzw. gibt es sie eh schon (Nachwuchsliga). Auf ein wunderbares Comeback! Zurück zum Sport, zurück zum Tischtennis!
https://www.ispo.com/know-how/sportpsychologe-die-richtige-motivation-fuer-den-neustart-nach-corona