Normalerweise habe ich in dieser Rubrik Geschehnisse im steirischen oder österreichischen Tischtennis analysiert, über Psychologie im Sport philosophiert oder einen satirischen Blick auf das Sportgeschehen geworfen. Heute möchte ich eine persönliche Geschichte erzählen und damit vielleicht einigen Mut machen, die vor einem ähnlichen Schritt stehen.

Zwei Tage nach meinem 45. Geburtstag wurde ich an der rechten Hüfte operiert. Ich erhielt eine sogenannte Total-Endoprothese, also ein künstliches Hüftgelenk. Mein altes, natürliches, hatte ich in den Jahren bis zu dem Eingriff ruiniert. Ob selbstverschuldet, durch falsche Belastung nach einer Knieverletzung vor 20 Jahren oder weil es einfach Schicksal war, wer weiß das schon. Ich bin familiär vorbelastet, auch mein Vater (77 Jahre alt) und meine ältere Schwester (52) haben bereits zwei künstliche Hüftgelenke eingesetzt bekommen, obwohl sie bei weitem nicht so viel Sport betrieben haben wie ich. Ich habe eigentlich kaum über die Ursachen gegrübelt, sondern den Tatsachen ins Auge geblickt. Die Hüfte ist kaputt, und wenn ich mich wieder halbwegs bewegen wollte, musste ich sie austauschen lassen. Zehn Minuten spazieren zu gehen waren vor dem Eingriff schon eine Qual, höllische Schmerzen in der Leiste ließen meinen Bewegungsradius immer geringer werden. Für einen Menschen, der gewohnt war, sehr viel und sehr abwechslungsreich Sport (Tischtennis, Tennis, Racketlon, Laufen bis zum Marathon, Leichtathletik, um nur einiges zu nennen) zu betreiben, keine einfache Situation.

Und natürlich war da die Unsicherheit: Wie wird es nach der Operation werden? Die einschlägige Literatur ist da auch nicht sehr hilfreich, denn während der eine Arzt auf seiner Homepage beschreibt, mit welchen Veränderungen man beispielsweise den Tennissport wieder ausüben kann, rät der andere komplett davon ab und verbietet praktisch sämtliche Stop-and-go-Sportarten, ja sogar Langlaufen wegen der Sturzgefahr.

Nach einigem Abwägen entschied ich mich, die Operation von Dr. Peter Aigner bei den Kreuzschwestern in Graz vornehmen zu lassen. Er hat auch beide Hüften meines Vaters zu dessen vollständiger Zufriedenheit operiert. Im Vorgespräch wiederholte er immer wieder auf meine Frage, wie es denn danach mit Sport aussehen würde: „Sie können alles wieder machen, was Sie bis jetzt auch gemacht haben, weil der Körper und die Muskulatur an die Bewegungsmuster gewöhnt sind. Wenn Sie Skifahrer waren, sollten Sie aber danach nicht mit dem Snowboarden beginnen. Und natürlich kann es durch viel Springen und Stoppen zu Lockerungen des Gelenks führen, aber das ist sehr unwahrscheinlich.“

Am 30. Oktober 2018 wurde ich also gleich in der Früh in den OP geführt. Dann kam die Narkose und ich habe natürlich nichts mehr mitbekommen. Im Aufwachraum kannte ich mich gar nicht aus. Eine Schwester erkundigte sich immer wieder nach meinem Befinden, aber ich konnte nicht wirklich sagen, wie es mir geht. Ich versuchte in meinen Körper hineinzuhören. Doch ich fühlte nichts. Ist alles gut gegangen? Ich spürte keinen Fremdkörper und wegen der Medikamente auch noch keine Schmerzen. Nach und nach ließ die Narkose nach und irgendwann wurde ich dann in mein Zimmer gebracht. Die künstliche Hüfte ist jetzt also drin, so viel wurde mir klar. Noch am Abend musste ich ein erstes Mal aufstehen und kurz das Bein belasten, das ist normal, um den richtigen Sitz des Implantats zu überprüfen.

Es folgten Tage mit leichten Fortschritten und zahlreichen Rückschlägen. Mein rechtes Bein war mit Hämatomen überzogen, jede kleinste Bewegung tat mir weh. Ich hatte in der Folge auch 15 Tage lang Fieber (mein Vater war nach neun Tagen schon wieder zu Hause) und das machte die Ärzte zuweilen etwas ratlos. Dennoch konnte ich schon nach wenigen Tagen einige Schritte gehen, nach einer Woche benötigte ich im Zimmer nicht einmal mehr die Krücken. Doch dann wieder ein Rückschlag: Bei einem Ausflug auf den Gang, natürlich mit Krücken, schoss mir auf einmal eine Art Krampf in die überforderte Muskulatur am rechten Oberschenkel ein. Stundenlang lag ich dann im Bett und musste warten, bis die Infusionen die Schmerzen linderten. Eine Woche später wiederholte sich das gleiche Erlebnis noch einmal. Es waren furchtbare Schmerzen! In dieser Zeit habe ich gegrübelt: War es wirklich die richtige Entscheidung, so früh eine Hüft-Operation durchführen zu lassen? Warum geht es den vielen „alten Leuten“ nach der OP gut und mir geht es so schlecht?

Fragen, die sich nicht einfach so in der Sekunde beantworten ließen. Doch die Zeit verstrich, endlich verging mein Fieber und nach 16 Tagen im Krankenhaus durfte ich endlich nach Hause. Am zweiten Tag zu Hause habe ich einen ersten kleinen Spaziergang versucht. Rund 200 Meter mit Krücken in die eine Richtung und dann wieder zurück. Es hat sich angefühlt wie ein Marathon, aber zumindest sind keine weiteren Krampfzustände zustande gekommen – vor denen hatte ich nach den zwei Erlebnissen im Krankenhaus höllische Angst. Danach ist es sehr schnell besser geworden. Nur eine Woche später ist es nicht mehr um 200 Meter gegangen, da habe ich es schon zu Fuß zur Physiotherapeutin und wieder zurück geschafft – also 25 Minuten hingehen, eine Stunde Therapie und wieder 25 Minuten heimgehen. Was sich beim ersten Mal noch wie eine Besteigung des Mount Everest angefühlt hat –  ich musste da viele Pausen machen und war nicht sicher, ob ich es auch wirklich schaffen würde –  war zwei Wochen später schon ganz normal.

Rund einen Monat nach der OP habe ich mich dann entschieden, Tobias Scherer und Heike Koller, die für mich die Trainingseinheiten mit unserem Nachwuchs beim TTC Feldkirchen übernommen hatten, das erste Mal wieder zu unterstützen. An das erste Training kann ich mich noch sehr gut erinnern: Ich war halbwegs sicher zu Fuß, hatte aber große Angst, dass mich eines der Kinder in seinem Übermut über den Haufen rennen würde und ich vielleicht unglücklich stürzen könnte. Es ist Gott sei Dank nicht passiert und ich habe von Training zu Training bemerkt, wie ich immer sicherer wurde. Danach habe ich auch die ersten vorsichtigen Ballwechsel mit Erwachsenen gespielt und irgendwann auch die ersten Sätze.

Sechs Wochen nach meiner Operation habe ich dann mein erstes ernsthaftes Training gespielt. Jene Bälle, die weit in meine Vorhand gingen, habe ich einfach ausgelassen. Es war verblüffend für mich, wie gut ich abschätzen konnte, was schon geht, und was ich besser bleiben lassen muss. Sieben Wochen nach der Operation habe ich zum ersten Mal wieder mit meinen Kollegen des Badmintonvereins Feldkirchen gespielt. Mit den Besseren konnte ich natürlich noch nicht mitspielen, aber mit den Hobbyspielern konnte ich schon Ballwechsel im Doppel bestreiten. Das war ein erhebendes Gefühl, denn nur fünf Wochen zuvor war ich fast bewegungsunfähig im Krankenhaus gelegen und konnte nicht einmal davon träumen, wieder ernsthaft Sport zu betreiben. Ich war zu diesem Zeitpunkt zwar beileibe noch nicht wettkampffähig, doch die Tatsache, wieder auf dem Feld zu stehen, sorgte für Gewissheit: Es war die richtige Entscheidung, diese Operation auch schon im Alter von 45 Jahren durchführen zu lassen.

Unterstützt von meiner Therapeutin Bianca Wiesegger, wahrscheinlich die Beste in der ganzen Umgebung, habe ich in den nächsten Wochen hart weitergearbeitet. Mitte Jänner ging es dann zur dreiwöchigen Reha zum Theresienhof nach Frohnleiten. Dort war Dr. Thomas Thiel-Lichtenberg, der Vater von USV-Indigo-Supertalent Jonas Lichtenberg, mein zuständiger Arzt und Julia Schrettle meine Physiotherapeutin. Gemeinsam haben wir das Ziel definiert, so schnell wie möglich in den Tischtennis-Meisterschaftsbetrieb zurückzukehren, denn gehen und Stiegensteigen, also alles, was die meisten anderen so anstreben, konnte ich eh schon problemlos. In den Hüftgruppen, Ganggruppen, in der Unterwasser- und Einzeltherapie ging es mir sehr gut, ich würde aber auch hart gefordert. Manche der anderen Patienten bedauerten mich bei den Sport-Einheiten, weil ich immer so schuften musste. Denn bei mir wurden die Werte viel länger und schneller eingestellt als bei den anderen, ganz einfach, weil ich andere Ziele hatte.

Nach drei Wochen wurde ich an einem Dienstagvormittag entlassen und am Abend gab ich mein Meisterschafts-Comeback! Genau 99 Tage nach meiner Operation habe ich gegen ATSE Graz in der Unterliga Süd gespielt. Ohne Training (!), aber mit der Gewissheit, dass mein operiertes Bein die Belastung problemlos aushalten würde. In meinem ersten Match habe ich gegen den Koreaner Chang Woonghyun gespielt, ein Gegner, den ich unter normalen Umständen klar schlagen sollte. Chang hat von meiner Operation nichts gewusst, das war mir sehr recht, denn ich wollte wieder ganz normal wettkämpfen. Doch es war das erste Match nach so einem großen Eingriff und noch dazu nur ein bisschen mehr als drei Monate danach. Doch trotz anfänglicher Nervosität und nicht hundertprozentiger Beinarbeit sollte ich einen 3:0-Sieg schaffen. Ich ballte die Faust zu meinen Mannschaftskollegen und Vereinskameraden, die in der Halle dabei waren, es war ein sehr emotionaler Moment. Das erste Match nur 99 Tage nach so einer Operation zu bestreiten und zu gewinnen, das war etwas ganz Besonderes!

Danach spielte ich gegen Lukas Heidorn, die Nummer 1 der ATSEler. Im zweiten Satz verriss ich mir bei einer blöden Bewegung die Schulter und konnte danach kaum noch eine Vorhand spielen. Es war eine paradoxe Situation: Mein operiertes Bein hätte mir eine Partie auf Augenhöhe ermöglicht, doch durch diese weitere Verletzung hatte ich letztlich keine Chance. Lukas siegte klar 3:1.

In meinem letzten Spiel ging es dann gegen den verrückten Kroaten Marinko „Halleluja“ Draguljic. Ich hatte gegen ihn noch nie verloren, eigentlich lag mir seine Spielanlage sehr. Aber im Kopf waren da viele Dinge zu verarbeiten: Ich hatte eine Hüft-Operation hinter mit und wusste nicht, wie sich das in der dritten Partie des Abends auswirkt. Ich hatte mich an der Schulter verletzt und musste versuchen, aggressive Vorhandschläge zu vermeiden. Und ich musste gewinnen, denn es stand 4:5. Den ersten Satz verlor ich relativ klar, doch gegen Ende fand ich ein Rezept, das mir zielführend erschien. In der Folge schaffte ich es wieder, wie in den vorangegangenen Partien gegen Draguljic, das Spiel zu diktieren und begann wieder, das Spiel gegen den Abwehrspieler zu genießen. Am Ende siegte ich klar mit 3:1.

Es wäre an diesem Abend aber auch kein Problem für mich gewesen, wenn ich kein Match gewonnen hätte. Wenn ich nur die Gewissheit gewonnen hätte, dass es auch nach der Operation mit dem Sport weiter geht. Dass es so schnell und ohne wettkampfspezifische Vorbereitung zu zwei Siegen gereicht hat, hat dieses Comeback umso schöner gemacht.

In der Woche darauf spielte ich auswärts gegen Münzgraben 3:0, zwei Wochen später gegen UTTV nur 1:2. Ich war einfach wieder ein ganz normaler Tischtennisspieler, der an einem Tag gut spielt, und an dem anderen Tag nicht so gut. Die Gedanken an ein bisschen Metall und Keramik im Körper habe ich bei einem Match jedenfalls nicht mehr.

Als ich im Krankenhaus gelegen bin, hatte ich ganz viele Zweifel, ob es die richtige Entscheidung war, mich schon mit 45 Jahren operieren zu lassen. Jetzt weiß ich: Es war die richtige Entscheidung! Ich bin inzwischen auch wieder auf mein Motorrad aufgestiegen und da habe ich erst bemerkt, welche Einschränkungen ich schon gehabt hatte. Jetzt bewege ich mich wieder viel freier auf meinem Bike – ein herrliches Gefühl.

Was ich als Fazit allen mitgeben möchte, die vielleicht vor einer ähnlichen Entscheidung stehen: Versucht für euch, den Weg zurück so perfekt wie möglich vorzubereiten. Die Ärzte und Therapeuten helfen euch ohnehin dabei, indem sie immer wieder die persönlichen Ziele abfragen. Es ist eben ein Unterschied, ob ich wieder problemlos einkaufen gehen will, oder ob ich wieder in einen Wettkampfsport zurückkehren will. Es gab ja auch in meiner Umgebung zahlreiche Beispiele, die mir gezeigt hatten, dass das mit dem Wettkampfsport, auch auf durchaus ansehnlichem Niveau wieder möglich ist, also war das auch mein Ziel. Auch Armin Siari, Robert Scharlach, Robert Grims im Tischtennis oder Jürgen Rossmann im Racketlon sind mit künstlicher Hüfte unterwegs.

Vor meiner OP konnte ich nicht einmal mehr zehn Minuten schmerzfrei spazieren gehen, inzwischen kann ich das schon über eine Stunde und schaffe dazwischen schon zehn Minuten im Laufschritt. Und die OP ist erst viereinhalb Monate her.

Bei vielen Patienten heißt es, dass sie frühestens nach sechs Monaten daran denken können, wieder Sport zu betreiben, insofern glaube ich, dass es auch sehr stark vom Willen des Patienten abhängt. In meiner Reha in Frohnleiten habe ich nämlich einige motivierte Kandidaten erlebt. Aber auch einige, bei denen es mich nicht gewundert hat, dass nichts weiter gegangen ist. Die Medizin kann heutzutage viel korrigieren, was früher undenkbar war, jeder einzelne hat danach aber immer noch die Aufgabe, selbst dafür zu sorgen, sein bestmögliches Level zu erreichen. Leider sind dazu viele nicht bereit und schieben die Schuld dann auf andere.